Er ist ein Baustein im umfassenden Gesundheitsmanagement der Lebenshilfe Neuss: der frisch geschulte Pflege-Guide. Ausgerüstet mit einem „elektronischen Pflegekoffer“ dient er als Erstanlaufstelle für Mitarbeitende, die in eine Pflegesituation geraten. Denn dies stellt Betroffene schnell vor große Herausforderungen und physische wie psychische Belastungen. Viele versuchen, dies vorm Arbeitgeber zu verbergen. Die Angst vor beruflichen Benachteiligungen ist zu groß. Das steigert die Problematik und entwickelt sich zu Ungunsten der Gesundheit und oft auch der Arbeitsleistung. „Hier ist es wichtig, schnell offen miteinander umzugehen“, erklärt Gesine Eschenburg, Geschäftsführerin der Lebenshilfe Neuss gGmbH. „Der demografische Wandel verändert unsere Gesellschaft. Die Lebensarbeitszeit und die Frauenerwerbsbeteiligung steigen, der Fachkräftemangel ist in aller Munde. Unternehmen müssen sich dem mit neuen Angeboten stellen.“ Handeln sei gefragt, Hilfe und Unterstützung für Mitarbeitende ebenso.
„Beruf und Pflege im privaten Umfeld miteinander zu vereinen, kann ein gehöriger Kraftakt sein“, erklärt Winfried Janßen, ebenfalls Geschäftsführer der Lebenshilfe-Doppelspitze in Neuss. Oft tritt der Unterstützungsbedarf für Angehörige plötzlich auf. Doch schnelle Hilfe und guter Rat sind nicht unmittelbar greifbar. Betroffene befinden sich rasch im Spagat zwischen Fürsorge und beruflichem Anspruch. Etwa fünf von sechs Pflegebedürftigen (84 % bzw. 4,17 Millionen) wurden im Dezember 2021 zu Hause versorgt. Davon wurden 3,12 Millionen Pflegebedürftige überwiegend durch Angehörige gepflegt; unter ihnen viele, die sich im Beruf befinden. Doch der Rückhalt in Gesellschaft und Arbeitswelt ist gering.
„Unser Pflege-Guide dient zur ersten Hilfe in Notsituationen“, erklärt Janßen. „Durch ihn werden gesetzliche Möglichkeiten und passende Anlaufstellen aufgezeigt. Er kann zudem an günstigen Rahmenbedingungen im Betrieb mitwirken.“ Betroffene erhalten wichtige Kontakte und Links sowie Infos zu vorstellbaren Freistellungszeiten und zu fachlichen wie finanziellen Unterstützungsoptionen. Der Bedarf kann gemeinsam erkannt und potenzielle Hilfen erläutert werden.
„Starke Teams entstehen durch starken Rückhalt“, betont Gesine Eschenburg. So war der Geschäftsführung schnell klar, dass sie sich am Landesprogramm NRW „Vereinbarkeit von Beruf und Pflege“, das von der AOK unterstützt wird, beteiligen wird. Hier bekleidet das Unternehmen eine Vorreiterrolle im Rhein-Kreis Neuss und zeigt ein Engagement, das sich nicht nur für Mitarbeitende positiv niederschlägt: „Die vielfältigen Aufgaben eines Lebens zu meistern, kann sehr herausfordernd sein“, sagt Eschenburg. Unternehmen von heute sollten hier ganzheitlich betrachten und vorausschauend denken. „Dies umfasst auch Aspekte wie Mitarbeiterbindung, Produktivität, Rentabilität und die Qualität der Arbeit. Die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege ist eine Win-Win-Situation für Mitarbeitende und das Unternehmen.“
Um dies zu unterstreichen, wurde der Lebenshilfe Neuss jetzt die Charta „Beruf und Pflege“ von Georg Oberkötter vom MAGS NRW förmlich überreicht. Bei seinem Besuch in Neuss informierte er sich über das Angebot der Lebenshilfe Neuss und insbesondere über die Bausteine des Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Abschließend waren sich alle Beteiligten einig, dass der betriebliche Blick auf die pflegenden Mitarbeiter/-innen ein wichtiger Schritt ist, gesellschaftlichen Entwicklungen mit tragfähigen Lösungen zu begegnen.